Bei der gesteuerten Knochenregeneration (Guided Bone Regeneration [GBR]) handelt es sich um Verfahren, die durch den Einsatz von Barrieremembranen die Regenerationsfähigkeit des eigenen Knochens nutzen, um verloren gegangenen Alveolarknochen (Kieferkammknochen) wieder aufzubauen und dadurch das Setzen eines Implantats (einer künstlichen Zahnwurzel) zu ermöglichen.
Knochendefekte entstehen nach Zahnextraktionen (Entfernung eines Zahnes ohne weitergehende operative Maßnahmen) und durch Alveolarkammatrophie (Rückbildung des Kieferkammknochens) bei längerer Zahnlosigkeit. Wird ein Zahn entfernt, so bildet sich der Knochen im Bereich der Extraktionswunde auf Grund fehlender funktioneller Belastung zurück. Der Alveolarkamm atrophiert sowohl in der Höhe als auch in der Breite um bis zu 50 Prozent. Da ein Implantat (eine künstliche Zahnwurzel) vollständig von Knochen umgeben sein muss, kann für die Implantation der Aufbau neuen Knochens erforderlich sein. Auf diesem Hintergrund hat sich die GBR zu einem festen Bestandteil der Implantologie entwickelt.
Ziel jeder regenerativen Therapie ist es, verloren gegangene Strukturen nicht nur zu reparieren, sondern zu regenerieren. Das bedeutet, dass verloren gegangener Alveolarknochen differenziert wieder aufgebaut werden soll. Unter dem Schutz einer Membran als mechanischer Barriere gelingt es dem körpereigenen Knochen, seine Regenerationsfähigkeit zu entfalten und Knochen neu zu bilden.
Bei günstiger Form und Lokalisierung des Knochendefekts kann die Membrantechnologie allein angewendet werden. Bei ungünstiger Defektmorphologie (Beschaffenheit des Defekts) jedoch muss die Membran durch Füllmaterial vor dem Kollabieren geschützt werden. In diesem Fall dient sie nicht nur als Barriere, sondern auch zur Stabilisierung des transplantierten Knochens bzw. Knochenersatzmaterials. Ohne die Membranbarriere käme es zu einer Auffüllung des knöchernen Defekts mit schnell proliferierendem (wachsendem) Bindegewebe anstelle des langsamer wachsenden Knochens.
Indikationen (Anwendungsgebiete)
- Zum Knochenaufbau, um eine Implantatinsertion (Setzen einer künstlichen Zahnwurzel) zu ermöglichen
- Zur Verhinderung von Bindegewebswachstum anstelle knöcherner Regeneration
- Zur lokalen Stabilisierung eingebrachten Knochens oder Knochenersatzmaterials durch eine Membran
- Zur Augmentation bei Sofortimplantation (Knochenaufbau bei Setzen eines Implantats sofort nach der Zahnextraktion)
Kontraindikationen (Gegenanzeigen)
- Mangelnde Plaquekontrolle durch den Patienten
- Starker Nikotinkonsum
- Schlecht eingestellter Diabetes (Zuckerkrankheit)
- Schwere Allgemeinerkrankungen, die sich auf die Behandlungsfähigkeit ungünstig auswirken
- Zustand nach Radiatio (Bestrahlung)
- Parodontitis (Zahnbettentzündung) mit Resttaschen nach Therapie von über 5,5 mm
Vor dem Verfahren
Eine Voraussetzung für den Erfolg einer regenerativen Therapie ist, dass der Patient sich im Vorfeld der Behandlung eine adäquate Mundhygiene angewöhnt. Nur so besteht die Chance, das durch die Knochenregeneration ermöglichte Implantat langfristig zu halten.
Zur Diagnostik werden in der Planungsphase Röntgenbilder erstellt, in speziellen Fällen auch eine digitale Volumentomographie. Schleimhautdickenmessungen und die Analyse von Kiefermodellen tragen dazu bei, die optimale Implantatposition zu finden, das Ausmaß des Knochendefekts abzuschätzen und die Entscheidung für eine geeignete Vorgehensweise zu treffen.
Wird die Membrantechnik mit dem Einbringen autogenen (körpereigenen) Knochens kombiniert, muss dieser vor der Transplantation an geeigneter Stelle – z. B. der Kinnregion oder dem Retromolarraum (hinter den letzten Backenzähnen) – entnommen und aufbereitet werden. In der Regel wird der chirurgische Eingriff durch Gabe eines Antibiotikums abgeschirmt (zwei Stunden präoperativ Amoxicillin).
Auch allogenes (körperfremdes) Knochenmaterial kann verwendet werden. Es entstammt den langen Röhrenknochen von Multiorganspendern. Das Risiko der Krankheitserreger-Übertragung und immunologischen Reaktion wird durch das DFDBA-Verfahren (engl.: Demineralized freeze dried bone allograft), welches eine Demineralisation des Implantats mit Gefriertrocknung kombiniert, reduziert. Es kann jedoch nicht vollständig ausgeschlossen werden.
Xenogener (aus tierischem Gewebe) Knochen entstammt Rindern (Bio-Oss®). Durch Deproteinierung (Entzug von Eiweiß) wird die organische Komponente entfernt und dadurch das Übertragungs- und Allergisierungsrisiko reduziert, ist aber auch hier nicht völlig auszuschließen. Der verbliebene anorganische Anteil wird in sich neu bildenden Knochen eingebaut. Das unreife Knochengewebe wird durch die Membrantechnik (Bio-Guide®) vor dem Einwachsen von Bindegewebe geschützt.
Alloplastische KEM (Knochenersatzmaterialien) sind synthetisch (künstlich) hergestellte Materialien aus Calciumcarbonat, Tricalciumphosphat, Hydroxylapatit, Bioglass oder calciumbeschichteten Polymeren (Methacrylate: Kunststoffe), die biokompatibel (biologisch gut verträglich) sind. Osteoblasten (Knochen bildende Zellen) können die synthetischen Oberflächen besiedeln. Die Membrantechnik verhindert das Einwachsen von bindegewebigen Zellen.
Die Verfahren
Die GBR muss mit der Bildung eines Mukoperiostlappens (Schleimhaut-Knochenhaut-Lappen) kombiniert werden: Durch das chirurgische Ablösen des Lappens von der knöchernen Unterlage können die Membran und ggf. das zu transplantierende Knochen- oder Knochenersatzmaterial eingebracht und nach Verlängerung des Lappens durch Periostschlitzung (zur Dehnung der Knochenhaut) vollständig abgedeckt werden.
Die simultane Implantatinsertion (zeitgleiches Setzen eines Implantats) ist möglich. Wenn eine Primärstabilität des Implantats nicht zu erreichen ist, ist ein zweiphasiges Vorgehen erforderlich: Die Implantation wird nach drei bis vier Monaten in einem zweiten Eingriff nach der Knochenregeneration erfolgen.
I. Nicht-resorbierbare Barrieremembran